Predigerseminar

Das Protestantische Predigerseminar in Landau

Die Vorgeschichte

Die "Vereinigte protestantisch-evangelisch-christliche Kirche der Pfalz", wie die Landeskirche nach ihrer Union 1818 hieß, existierte ein Jahrhundert lang gut ohne ein Predigerseminar; üblich war die Einrichtung der "Privatvikariate", in denen ein junger examinierter Theologe nach seinem abgeschlossenen Studium eine Vakanz erhielt, einem älteren Pfarrer zugeordnet war und sich so nach und nach in die Praxis einübte. Die notwendigen Voraussetzungen brachte er vom Theologiestudium mit. Doch nach den Umwälzungen des Ersten Weltkrieges änderte sich die Situation, und die allgemeine Stimmung für die Errichtung eines eigenen Predigerseminars für die Landeskirche war "reif". Nachdem die ersten bitteren Hungerjahre überstanden waren und die allgemeine Lage sich einigermaßen normalisiert hatte, begann ein immer intensiver werdender Diskurs, der sich hauptsächlich um drei Zusammenhänge verdichtete:

Zum ersten hatten die meisten Landeskirchen schon ihre Predigerseminare (für die Hannover'sche Landeskirche beispielsweise existierte das Predigerseminar in Loccum damals schon seit einem Jahrhundert), nur die Pfalz war hinten dran. Hier fühlte man sich angesprochen.

Zweitens wurde die Diskrepanz zwischen den Inhalten des wissenschaftlichen Theologiestudiums einerseits und der kirchlichen Praxis in der Herausforderung der Nachkriegsjahre nun als besonders krass erfahren, die jungen Theologen (die Sprache der einschlägigen Zeugnisse im "Kirchenboten" und im "Pfälzischen Pfarrerblatt" war damals noch nicht gendergerecht), so mehrten sich die Stimmen, brauchten Begleitung in praxi.

Und drittens wurde schmerzlich bewusst, dass die pfälzische Landeskirche nun strukturell an keine evangelisch-theologische Fakultät mehr angeschlossen war: Heidelberg war schon in napoleonischer Zeit durch die Zerteilung der Kurpfalz politisch, Mainz dann in nachnapoleonischer Zeit durch die Errichtung des "Rheinkreises" - und zur Fakultät in Erlangen, die in der bayrischen Zeit die der "Heimatuniversität" war, waren nun die direkten politischen Strukturen gekappt. Wo also solle die Pfälzer Theologenschaft den eigenen Katechismus, die eigene Kirchengeschichte und das eigene Liedgut lernen? An der Uni geht es nicht. Also: eine eigene Ausbildungsstätte muss her! - so mehren sich die Stimmen.

Die Gründung und Anfangszeit des Predigerseminars in Landau

Eine dieser Stimmen war die des Juristen und damaligen Kirchenpräsidenten Karl Fleischmann. Er machte sich die Argumente zu eigen und trieb die Errichtung eines pfälzischen Predigerseminars voran. So blieb nur die Frage offen, wo es gegründet werden sollte.

Dass dies dann eben nicht in Speyer, sondern im 30 km entfernten Landau geschah, ist dem politischen Wirken des Landessynodalen und Oberbürgermeisters von Landau, Ludwig Ehrenspeck zu verdanken - und hat etwas mit der Randlage zu Frankreich zu tun; mit der Besetzung Landaus durch französisches Militär ab 1918 und der damit eingehenden weitflächigen Requirierungen von - insbesondere attraktivem - Wohnraum kam es zu großen Spannungen zwischen Zivilbevölkerung und Militär, was Bürgermeister Ehrenspeck zu moderieren verstand; als nach Abzug des französischen Militärs 1925 auf einen Schlag viele Immobilien in Bestlage in Landau frei geworden waren, konnte Ehrenspeck der Landeskirche ein "Sahneschnittchen" als Stätte für ein neues Predigerseminar anbieten - das "Böcking'sche Palais", direkt am zentralen Platz Landaus gelegen.

Ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte.

Und so wurde dann das Predigerseminar dort am 14. Mai 1926 um 11 Uhr morgens eingeweiht. Die Verbindung zur Theologischen Fakultät der Universität Erlangen zur Landeskirche zeigt die Anwesenheit des Erlanger Lehrstuhlinhabers für Reformierte Theologie, Ernst Friedrich Karl Müller beim Festakt, die Anwesenheit eines Vertreters der Heidelberger Universität (der Systematiker Robert Jelke) sowie des Leiters des Heidelberger Predigerseminars, des Praktologen Johannes Bauer, zeigt die lokale Verbindung zur "nächstgelegenen" Universität.

Erster Leiter des Predigerseminars war Hans Heinrich Stempel (1894-1970), der dann ab 1946 erster Nachkriegs - Kirchenpräsident der pfälzischen Kirche werden sollte.

Wie muss man sich die Ausbildung der ersten vier Anfangsjahre des noch jungen Predigerseminars vorstellen? Mit einem Wort: karg, zumindest an den heutigen Selbstverständlichkeiten gemessen. Es fehlte allenthalben an Geld, und das noch junge Predigerseminar war keineswegs unumstritten, sondern stand bei Teilen der Pfarrerschaft im Verdacht einer eigentlich verzichtbaren Luxuseinrichtung. In den beiden Folgejahren nach der Einweihung eskalierte im "Pfälzischen Pfarrerblatt" ein Streit über die Kosten des Predigerseminars, in dem man Pfennigbeträge gegenseitig aufrechnete (die Last des neuen Predigerseminars beträgt 6 Pfennige pro Kirchensteuerpflichtigen - oder doch über 30 Pfennige?). Direktor Stempel sah sich im Verlauf dieser Auseinandersetzungen einmal im Zornesrausch veranlasst zu betonen, dass den Vikaren nur sonntags ein Nachtisch gereicht werde, ansonsten spare man an allen Ecken.

Dass dies, was ich heute als "karg" bezeichne, im zeitgenössischen Kontext sogar als "äußere Annehmlichkeit" tituliert werden konnte, zeigt die Rede des Cand.theol. Ludwig Becker bei der Eröffnungsfeier; dieser sprach für den Kreis der Vikare - und zeigte sich dankbar für das "besondere und vornehme Geschenk der Kirche", womit er das Predigerseminar meinte.

Im Seminar lebten bis zu zehn Vikarspersonen etwa ein Jahr lang am Stück und wurden von einer Kirchenrätin als Hausdame verköstigt; diese war Landauerin und hatte die Erstmöbilierung teilweise aus ihren privaten Beständen bestückt. Für die spirituelle Einübung und liturgische Ausbildung hatte die Fa. Steinmeyer ein Hochpedal unter äußerst günstigen Bedingungen zur Verfügung gestellt, für den Aufbau einer Seminarbibliothek wurde nachhaltig um Spenden gebeten - dass das Nürnberger Predigerseminar zur Gründung des Landauer Predigerseminars eine Ausgabe der "Herzog Hauck'schen Realenzyklopädie" spendete, wurde sogar bei der Eröffnungsrede des zuständigen Oberkirchenrates der pfälzischen Landeskirche erwähnt. Erklärtes Ziel war es, als "Hausgemeinde" zu leben und zu lernen, das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten und die Einübung und Entwicklung spiritueller Kompetenzen sah man durch diese Art einer conviventen Ausbildung gewährleistet.

Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg

Diese Art der Ausbildung schlug anscheinend an und wurde dankbar angenommen, denn schon wenige Jahre nach seiner Gründung hatte das Predigerseminar Platzmangel zu konstatieren; das "Böcking'sche Palais", in der französischen Zeit als klassizistisches Repräsentationsgebäude errichtet, genügte dann doch nicht so umfangreich den Anforderungen eines Seminarbetriebes. Die Finanzlage um 1930 war auch nicht mehr unerträglich, und so besann man sich und erwarb eine eigene Immobilie (Westring 14 in Landau), die einem größeren Seminarbetrieb gewachsen war. Das Predigerseminar zog zum ersten Mal um.

Die politischen Ereignisse der beginnenden dreißiger Jahre bildeten sich im Ausbildungsbetrieb im Kleinen ab - nach der Machtergreifung 1933 geriet Direktor Stempel ins Fadenkreuz der Gleichschaltung und wurde 1934 als Direktor abgelöst, der Ausbildungsbetrieb wurde bis 1936 eingestellt. Der Streit muss tiefgehend und verletzend gewesen sein, unter anderem versuchte man Direktor Stempel an der Liste seiner neuangeschafften Bücher für die Seminarbibliothek (Karl Barth!!) die Untragbarkeit in seiner Position nachzuweisen.[1] Er galt in dieser Zeit als Protestant, ein Begriff, der zwar im Namen der Landeskirche verankert ist, aber ab1933 in der pfälzischen Landeskirche dann doch nicht so intensiv gelebt wurde.

Der Seminarbetrieb wurde erst 1936 wieder unter paritätischer Besetzung der Leitung (der den DC nahestehende Karl Landgraf gemeinsam mit dem der Bekenntniskirche nahestehenden Theo Schaller) aufgenommen, die folgenden drei Jahre waren wohl eine erste Blütezeit des Predigerseminars; die Vikarinnen und Vikare hatten eine Steinmeyer-Orgel zur Verfügung und eine immer stärker anwachsende Seminarbibliothek.

Doch der Ausbildungsbetrieb endete mit Kriegsausbruch im September 1939. Das Predigerseminar stand leer, und das Gebäude wurde noch von der dort einwohnenden Hausdame erhalten. Am Freitag, den 16. März 1945 kam dann die Apokalypse über Landau in Form eines dichten alliierten Bombenteppichs. Das Landauer Predigerseminar lag im Detonationsgebiet, erhielt zwar keinen Volltreffer, geriet jedoch in den Sog des nach der Bombardierung einsetzenden Feuersturms. Die Steinmeyer - Orgel und etwa 85% der Seminarbibliothek existierten danach nicht mehr.

Durch die langen Schließungszeiten und die Zerstörung während des Dritten Reiches hat das Landauer Predigerseminar kirchenhistorisch dort wenige nachhaltige Spuren hinterlassen. Die Pfälzische Kirchengeschichte im Nationalsozialismus ist in jüngerer Zeit durch einen grundlegenden Doppelband aufgearbeitet worden,[2] doch darin hat das Predigerseminar kein eigenes Kapitel erhalten. Der Focus historischer Forschung in dieser Zeit liegt auf dem Seminardirektor und späteren Kirchenpräsident Stempel, doch dieser konnte für die Geschichte des Predigerseminars von 1933 bis 1945 nur in der Anfangszeit Wirksamkeit entfalten. Die heutige Beurteilung Direktor Stempels unterscheidet sich möglicherweise von der damaligen, seit einigen Jahren steht er unter Opportunismusverdacht. Aktuell soll in einem von der Landeskirche unterstützten wissenschaftlichen Projekt insbesondere sein Engagement für nationalsozialistisch belastete Verurteilte nach dem Krieg historisch geklärt werden. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Der Neubeginn bis 1965

Nach dem Krieg hatte sich auch die pfälzische Landeskirche neu zu organisieren, an die Stelle des gleichgeschalteten Bischofs trat nun, verfassungskonform, wieder ein Kirchenpräsident, und dieser war der ehemalige Seminardirektor Hans Stempel. So nimmt es kaum Wunder, dass der Wiederaufbau des Landauer Predigerseminars niemals ernsthaft in Zweifel gezogen worden war. Das in der Bombardierung zerstörte Gebäude wurde wieder aufgebaut und erweitert - die Dachkonstruktion des neuen Predigerseminars bildete nun einen vollständigen vierten Stock. Predigerseminarleiter wurde im "Nebenamt" der Landauer Dekan Karl Landgraf.[3] Nach einigen Kurzausbildungsjahrgängen bis 1950, noch während der Aufbauarbeiten, begann der regelmäßige Seminarbetrieb wieder ab 1952 mit Landgraf als nun hauptamtlichen Direktor. Am neuen Einweihungstag, dem 5. Februar 1952, startete das neue Predigerseminar in die Nachkriegszeit, und es war nicht schlecht gerüstet: Die räumliche Erweiterung erlaubte, den durch die Kriegszeit bedingten Pfarrermangel ab jetzt in Halbjahres- statt in Jahreskursen auszugleichen, die Durchlaufgeschwindigkeit und die Personenzahl wurde also deutlich erhöht. Für die ausgebrannte Bibliothek stellte die Landeskirche mehrere Jahre einen Sonderetat zur Verfügung, die zerstörte Orgel wurde durch eine neue Oberlingerorgel ersetzt, die in diesem Haus heute noch steht.

Wie muss man sich die Ausbildung in dieser Zeit vorstellen? Neu hinzu kam erstmals ein eigenständiges Schulvikariat in der Vorbereitungszeit, das zwischen anderthalb und dreieinhalb Monaten dauerte. Der Bildungsauftrag, gerade angesichts der vergangenen Kriegs- und Vorkriegszeit, wurde im Konsens mit den politischen Diskursen der jungen Republik als grundlegend angesehen. Man sah sich damals im Wettlauf mit den staatlichen Lehramtsseminaren und versuchte, im Bruchteil der zur Verfügung stehenden Lehrzeit an einer Schule ein gleiches Niveau zu erreichen. Dabei wurden die "Volks- und Hauptschulen" als Ausbildungsstätten favorisiert, denn es galt, das Evangelium unters einfache Volk zu bringen. Aufgrund des grundsätzlich bildungstheoretischen Paradigmas der 50er Jahre bedeutete dies, vor allem die Fachkenntnis zu vertiefen, und hier war die Bibelkenntnis besonders fundamental. Man muss sich die Pfarramtsanwärterinnen und -anwärter dieser Zeit stundenlang über die Biblica Hebraica gebeugt und mit Übersetzungen beschäftigt vorstellen, die dann "hermeneutisch" diskutiert wurden. Mangelnde Hebräischkenntnisse wurden von der Predigerseminarleitung klar erkannt und mussten in eigenen Kollegien auf einen erträglichen Stand gebracht werden. Dies war grundlegend für die Katechetik und Homiletik.

1965 - 1975: Die letzten Jahre der Eigenständigkeit

Im Dezember 1960 verstarb Seminardirektor Landgraf an einem Herzleiden, Nachfolger wurde im Mai 1961 Walter Müller, gefolgt ab 1971 von Hermann Schneider. Dem personellen Umbruch ging auch ein struktureller einher, denn die Zeit war reif für neuerliche Erweiterung, das vierstöckige Haus der Innenstadt war zu klein geworden; so beschloss die Novembersynode 1962 einen Neubau in einer parkähnlichen Anhöhe am Rande der Stadt, dem Landauer Fort - dort, wo es sich bis heute befindet. Nach der Grundsteinlegung am 31.8.1963 wurde das Haus am 16.1.1965 in Betrieb genommen.[4]

Für das das pfälzische Predigerseminar folgte nun die Dekade seines vielleicht größten Renommees: Ein eigenes, neues Seminargebäude mit eigener Bewirtschaftung und eigener neu gebauter Bibliothek, sowie einer eigenen Hauskapelle, ausgestattet mit einer Steinmeyer-Orgel. Dies konnte sich sehen lassen, in zwei Kursen jährlich wurden bis zu vierzig Vikarinnen und Vikare pro Jahrgang ausgebildet.

In dieser Zeit der 60er Jahre erfolgte in der Ausbildung eine deutliche Öffnung zu den Sozialwissenschaften, die Psychologie nahm als wissenschaftliches Paradigma in der Ausbildung größeren Stellenwert ein. So geriet das Predigerseminar in die gesellschaftlichen Umwälzungen der 68er Jahre. Eine vielleicht exemplarische Episode dieser Zeit war der "pfälzische Ordinationsstreit",[5] entzündet vom Vikarsjahrgang 1969/1, der sich gegen den allzu sakramentalen Charakter der Ordination auflehnte. "Studenten gegen Kirchenräte", so titelte ein Rundfunkbeitrag des SWR am 20. Juni 1969. Sieben Vikarinnen und Vikare wurden im Zuge dieses Streites suspendiert.

1975 bis heute: Das Predigerseminar eingegliedert

Die oben genannten Umbrüche führten dann zu Änderungen der Ausbildungsstruktur, die eine bis dahin übliche eigenständige "Verwesung" einer Gemeinde und eine Übernahme ganzer Seelsorgebezirke durch die Vikarspersonen änderte zugunsten einer "dualen Ausbildung" im Predigerseminar und in den Gemeinden. Das Landauer Predigerseminar hatte in dieser Hinsicht schon 1973 die entsprechenden Reformvorschläge der EKD übernommen und danach den von der Kirchenkanzel der EKD herausgegebenen "Gesamtplan der Ausbildung für den Pfarrberuf" von 1978 weiter umgesetzt.[6] Die Ausbildung orientierte sich nicht mehr an den theologischen Fächern, sondern stärker an den kirchlichen Handlungsfeldern. Das dreigliedrige Vikariat (Schul-, Gemeinde- und Spezialpraktikum) wurde damals in den Ausbildungsordnungen etabliert.

Im Zuge dieser Veränderungen wurde das Predigerseminar umstrukturiert, es verlor seine Eigenständigkeit. In einer "Organisationsverfügung" von 11.3.1975 wird die "bisherige Form des Predigerseminars" aufgegeben, die Räumlichkeiten und Einrichtungen des Predigerseminars wurden fortan als "Zentrale Fort- und Ausbildungsstätte" (ZAF) benutzt. Das Predigerseminar war nun an der Stelle seiner ehemaligen Räumlichkeiten nur noch eine Einrichtung von deren drei. Das Amt des Seminardirektors wurde durch das des Seminarleiters ersetzt, Joachim Kreiter hatte von 1975 bis 1992 dieses Amt inne.

Im Zuge dieser Neuerungen war ein Umbau notwendig, der erste von bislang insgesamt dreien (1974, 2004/5, 2015/7).

Die Öffnung zu den Sozialwissenschaften verstärkte sich in dieser Zeit auch durch die Neustrukturierung merklich, zumal das frisch gegründete "Erziehungswissenschaftliche Fort- und Weiterbildungsinstitut" (EFWI) nun auch den Ort mitprägte und beispielsweise auch die Bibliothek mit bestückte; die heute etwas verwundernden Kleinstdifferenzierungen der Bibliothekssystematik im Bereich der Sozialwissenschaften etwa hatte damals ihren Anfang.

Für die neue Ausrichtung der Ausbildung in dieser Zeit ist es vielleicht exemplarisch, dass die Kapelle des Predigerseminars dem Umbau von 1974 weichen musste, sie ging in Büroräumen für die Verwaltung des EFWI auf. Die Orgel wurde nun auch nicht mehr gebraucht und wurde 1976 an die Dekanatskirche von Lauterecken verkauft, es begann an der "zentralen Aus- und Fortbildungsstätte" der Landeskirche eine 42 jährige Zeit ohne eigenen spirituellen Raum und ohne Orgel. Vielleicht zeigen genau diese Begebenheiten die Großausrichtung der Ausbildung, die Orientierung an gesellschaftlichen und politischen Fragen. Ein Tagungsraum war multifunktional gestaltet und genügte als Andachtsraum, er wurde 1992 mit "Schreiterfenstern" aufgewertet. Erst mit dem letzten großen Umbau konnte 2018 wieder eine Kapelle eingeweiht werden, die im Jahre 2019 mit einem Klop- Hochpositiv bestückt wurde.

Die letzte große Umstrukturierung des Predigerseminars erfolgte 2003, als es mit dem "Institut für kirchliche Fortbildung" unter das Dach eines "Zentrums für die theologische Aus- und Fortbildung" kam. In dieser Zeit war Günter Geisthardt (seit 1995 als Nachfolger von Volker Hörner, der die Leitung ab 1992 innehatte) Leiter des Predigerseminars und auch erster Geschäftsführer des neu errichteten „Zentrums“. Die Leitung ging 2007 an Julia und Ralf Neuschwander über, ab 2015 an Peter Busch.

Aktuell ist das Landauer Predigerseminar mit zwei Stellen besetzt, die Sigrun Welke-Holtmann und Peter Busch innehaben. Die Ausbildung folgt dem „dualen System“ der Praxiserfahrung in den unterschiedlichen Einsatzfeldern und blockweiser Reflexion und Theoriebildung im Predigerseminar. Dabei ist grundlegend, dass in der Pfalz Ausbildung und Beurteilung getrennt sind. Das Predigerseminar bildet im Auftrag des Landeskirchenrates ausschließlich aus, die Prüfungen werden von einer getrennten Prüfungskommission (deren Vorsitzender der Kirchenpräsident ist) durchgeführt. Das bedeutet: Keine benoteten Unterrichts- oder Gottesdienstbesuche, sondern Beratungsbesuche mit anschließendem Reflexionsgespräch. Keine schriftlichen Beurteilungen zur Vorlage bei der Kirchenbehörde, sondern im Portfolio dokumentierte Entwicklungsgespräche. Keine Abschlussbeurteilung durch das Predigerseminar, sondern Abschlussreflexion.

Eine weitere Besonderheit der pfälzischen Struktur ist, dass die Ausbildung durch die „Kammer für Ausbildung“, einem beratenden Gremium des Landeskirchenrates, begleitet wird; diese Kammer wird durch Wahl besetzt, wobei Theologiestudierende und Vikarspersonen einen großen zahlenmäßigen Anteil haben (jeweils drei Vertreterinnen oder Vertreter). Es findet jährlich ein Ausbildungskurs statt, der im Oktober beginnt.

Dr. Peter Busch, Jahrgang 1965, ehemaliger Leiter des Protestantischen Predigerseminars in Landau.

Eine erweiterte Version dieser Darstellung ist nachzulesen in: Busch, Peter, Über Hügel zum Himmel. Die Perspektive des Pfälzischen Predigerseminars in Landau, in: Aßmann, Helmut/Ruck-Schröder, Adelheit (Hg.), Pfarrbildung. Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 200jährigen Bestehens des Predigerseminars Loccum, Tübingen 2021, 137-149.

[1] Karl-Heinz Fix, Evangelisch-Theologische Fakultäten und kirchliche Ausbildung, in: Christoph Picker u.a. (Hg.), Protestanten ohne Protest, Speyer 2016, 469-485.

[2] Christoph Picker u.a. (Hg.), Protestanten ohne Protest. Die evangelische Kirche der Pfalz im Nationalsozialismus, Bd 1 u.2, Speyer 2016.

[3] Darstellung bei Karl Landgraf, Das Protestantische Predigerseminar der Pfalz, in: Otto Mehringer (Hg.), Evangelisches Gemeindebuch Landau in der Pfalz, Stuttgart 1954.

[4] Zur Neueröffnung wurde eine Festschrift erstellt: Evangelische Kirche der Pfalz (Hg.), Prot. Predigerseminar, o.O., o.D.

[5] Julian Kraul, Der Ordinationsstreit 1969 in der Landeskirche der Pfalz. Eine zeitgeschichtliche Einordnung, Heidelberg 2020 (wiss. Examensarbeit, Manuskript in der Bibliothek und Medienzentrale der Ev. Kirche der Pfalz sowie in der Bibliothek des prot. Predigerseminars einsehbar).

[6] Zu dieser Entwicklung: Volker Hörner/Joachim Kreiter, Lernen, Pfarrer zu sein, in: Pfälzisches Pfarrerblatt 71, 1980, 138-141.